Die Krankenhauslandschaft in Deutschland steht an einem historischen Wendepunkt: Steigende Kosten, sinkende stationäre Fallzahlen, zunehmende Ambulantisierung, Fachkräftemangel – und selbst nach dem Inkrafttreten des KHVVG bleiben die gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere rund um die neuen Leistungsgruppen, unklar. All das trifft die Einrichtungen derzeit mit voller Wucht.
In vielen Krankenhäusern hat sich eine Stimmung der Überforderung und strategischen Starre breitgemacht. Die Krankenhausreform verlangt nicht weniger als eine tiefgreifende Transformation – doch wie gelingt dieser Wandel in einem System, das von Unsicherheit und Zeitdruck geprägt ist?
Mit dem Deidesheimer Reform Summit, das im Januar 2025 als Pilotprojekt ins Leben gerufen wurde, haben die SANRIVUS GmbH, ETS ConHealth GmbH und der DVKC e.V. ein neues Veranstaltungsformat geschaffen: Ein geschützter Raum für einen offenen, ehrlichen und zukunftsgerichteten Austausch auf Augenhöhe – abseits von operativem Krisenmanagement und politischer Rhetorik.
Das Summit soll den Auftakt einer fortlaufenden Reihe markieren, die Einrichtungen dabei unterstützen soll, Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen und Reformimpulse gezielt in strategisches Handeln zu überführen.
Die ganztägige Veranstaltung fand in bewusst kleinem Rahmen mit ausgewählten Expertinnen und Experten aus Einrichtungen der Maximalversorgung statt – unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern wie Irmtraut Gürkan (Charité – Universitätsmedizin Berlin, Oberender AG), Markus Jones (Universitätsklinikum Frankfurt), Prof. Dr. Markus Weigand (Universitätsklinikum Heidelberg), Prof. Dr. Anja Schaible (Universitätsklinikum Heidelberg), Prof. Dr. Björn Maier (DVKC e.V., DHBW Mannheim), Prof. Dr. Dirk Lauscher (ETS ConHealth GmbH, SANRIVUS GmbH, KH Freiburg), Stefanie Schandl (SANRIVUS GmbH, CORIVUS AG) und vielen weiteren Expertinnen und Experten.
Ziel war es, einen ehrlichen Blick auf die aktuelle Lage zu werfen und gemeinsam nach vorn zu denken: Welche Handlungsoptionen bestehen konkret? Wie können Kliniken aus der Schockstarre herausfinden? Welche Strategien sind belastbar, welche Illusion?
Die Atmosphäre war geprägt von Vertrauen, Kollegialität und dem geteilten Willen, Verantwortung zu übernehmen. Viele der Teilnehmenden hoben im Nachgang besonders die Offenheit, Tiefe und Praxisnähe der Gespräche hervor – Eigenschaften, die in der derzeitigen Debattenlage seltener geworden sind. Das Summit wurde so zum Ankerpunkt für strategische Standortbestimmung und gegenseitige Bestärkung.
Die Reformdynamik lässt kaum Raum für Reaktion – es braucht proaktive Steuerung. Das bedeutet vor allem: Strukturveränderungen frühzeitig planen, interne Prozesse mit strategischer Klarheit durchdenken und dabei alle relevanten Akteure im Haus aktiv einbinden. Erfolgreiches Projektmanagement beginnt mit der Haltung, sich als aktiver Gestalter zu verstehen. Zentral ist zudem ein durchdachtes Change-Management, das interne Kommunikation stärkt, Ängste abbaut und Orientierung bietet.
Effizienzsteigerung wurde nicht als Selbstzweck, sondern als Notwendigkeit betont – insbesondere in der Verzahnung stationärer und ambulanter Versorgungsstrukturen. Der gezielte Ausbau digitaler Lösungen, etwa für Patientensteuerung oder Dokumentation, wurde als zukunftsweisend bewertet. Prozessmanagement muss gleichermaßen ressourcenschonend wie patientenorientiert ausgerichtet sein.
Die Einführung von Vorhaltepauschalen und Hybrid-DRGs verändert die wirtschaftliche Realität vieler Häuser grundlegend. Daher wurde empfohlen, die eigene Leistungs- und Erlössituation präzise zu analysieren, belastbare Simulationsmodelle zu nutzen und Szenarien frühzeitig durchzuspielen. Auch das Liquiditätsmanagement rückt stärker in den Fokus – als Instrument zur Sicherung operativer Handlungsfähigkeit.
Ambulantisierung ist kein Zukunftsthema mehr, sondern ein akutes Gestaltungsfeld. Die Teilnehmenden empfahlen, individuelle Potenzialanalysen durchzuführen, um zu klären, welche Behandlungen ambulant durchführbar sind – unter Berücksichtigung von Qualitätsstandards, Infrastruktur und Personalverfügbarkeit. Ambulantisierung ist ein Kulturwandel, der neue Rollenprofile und Qualifikationen erfordert.
Langfristige Strategiearbeit ist essenziell – auch unter Zeitdruck. Portfolioanalysen, Kooperationsmodelle und standortübergreifende Perspektiven wurden als wichtige Bausteine benannt, um sich im zukünftigen Versorgungsgefüge zu positionieren. Wer sich heute gut aufstellt, verschafft sich nicht nur ökonomische Vorteile, sondern wird auch zum stabilisierenden Faktor in seinem Versorgungsraum.
Der gezielte Ausbau regionaler Kooperationen ermöglicht es, Kapazitäten zu bündeln, Versorgung gemeinsam zu denken und Synergien zu schaffen. Gleichzeitig wurde betont, dass Planungskompetenz in Kliniken selbst gestärkt werden muss – um externe Vorgaben nicht nur umzusetzen, sondern aktiv mitzugestalten.
Die Initiatoren des Reform Summits sind sich somit einig: Das Format wird keine einmalige Veranstaltung bleiben. Vielmehr war das Summit ein erfolgreicher Auftakt für eine kontinuierliche Plattform, die Raum für Austausch, fachliche Tiefe und strategische Entwicklung bietet.
Angesichts weiterer Anpassungen der Bundesregierung zur Krankenhausreform gewinnt dieses Format zusätzlich an Relevanz. Die positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden haben ebenfalls bestätigt, wie wertvoll ein Format ist, das über die reine Informationsvermittlung hinausgeht und echten Dialog ermöglicht – offen, lösungsorientiert, vertrauensvoll.
Sowohl die Diskussionen während des Summits als auch die aktuellen Entwicklungen münden in drei zentrale Themenfelder, die künftig im Zentrum einer Fortsetzung des Formats stehen werden:
1. Portfolioanalyse auf Basis der definierten bzw. der zu erwartenden Leistungsgruppen
2. Ambulantisierung mit Schwerpunkt auf Potentialanalyse und Umsetzungsstrategien
3. Kooperation und strategische Steuerung
Ziel einer kommenden Veranstaltung soll es sein, diese Schwerpunkte weiter zu vertiefen, relevante Vorgehensweisen zu identifizieren und praxistauglich zu machen.
Das Deidesheimer Reform Summit hat gezeigt, dass es auch in Zeiten großer Unsicherheit möglich ist, produktive Räume für Orientierung, Austausch und gemeinsames Vorangehen zu schaffen. Die Herausforderungen im Krankenhauswesen bleiben immens – aber sie sind gestaltbar. Wenn Expertinnen und Experten zusammenfinden, kann aus Krise Handlung werden. Denn eines ist klar: Nur gemeinsam kommen wir durch diese Zeit – mit klarer Haltung, professioneller Reflexion und dem Willen zur Veränderung.
Mitglied der Geschäftsleitung der SANRIVUS Healthcare Consulting GmbH und Geschäftsführerin der ETS ConHealth GmbH